Elstereiszeit – Lauerburger Ton
Physisch-geographische Landschaft:
Elster-Kaltzeit bis ins frühe Holozän (500.000-10.000 BP) –
Wie die Eiszeiten das Ammerland geformt haben
Die nordwestdeutsche Tiefebene wurde von den letzten drei Eiszeiten des Pleistozäns geprägt. Das Pleistozän ist das Erdzeitalter, das vor 2,5 Millionen Jahren begann, vor fast 12.000 Jahren endete und zwischenzeitlich mindestens 12 Eiszeiten hatte. Zum Vergleich: Dinosaurier starben vor etwa 66 Millionen Jahren aus.
Bis heute können wir den Einfluss der Eiszeiten im Ammerland erkennen. Die Zeittafel zeigt die erdgeschichtlichen Phasen und welche landschaftlichen Formen im Ammerland zurückgeblieben sind. Während die Kaltzeiten (=Eiszeiten oder Stadial) meist 100.000 Jahre andauerten, hielten die Warmzeiten (=Interstadial) zwischen 10.000 und 20.000 Jahren an. Heute leben wir in einer Warmzeit, dem Holozän2.
Zeittafel
Saaleeiszeit – Parallrippenstruktur
Weichseleiszeit – Flugsande
Holozän - Moore
Lauenburger Ton, Ziegeleien und Klinkerstraßen
Die Wirkungskräfte der letzten drei Eiszeiten haben das Ammerland geformt. Der Lauenburger Ton kommt besonders häufig in der Oldenburger-Ostfriesischen Geest vor. Dieser Ton löste sich als Schutt aus den Eisgletschern der Elster-Kaltzeit. Vor über 400.000 Jahren lagerte er sich in tiefen Schmelzwasserstauseen ab (siehe unten stehende Karte – blaue Flächen).
Ab dem 19. Jahrhundert wurde der Ton industriell abgebaut und für das Brennen von Klinkern und Ziegeln verwendet. Diese Klinker dienten auch zum Bau der berühmten Klinkerstraßen, die inzwischen teilweise unter Denkmalschutz stehen. Als Standort für die Ziegeleien boten sich besonders die Gemeinden Edewecht, Wiefelstede und Rastede an, denn neben dem Ton stand dort Torf als Brandstoff zur Verfügung. Es entstanden die historischen Ziegeleien wie z.B. Oltmanns in Osterscheps, Oltmanns in Jeddeloh 1, Hahn in Hahn-Lehmden oder die alte Ziegelei bei Hollwege.
Geologische Übersichtskarte (GÜK500). Bei dem Maßstab 1:500.000 ist die Parallelrippenstruktur weniger deutlich zu erkennen, aber die Orte des elsterzeitlichen Lauenburger Tons springen mit ihrer blauen Farbe ins Auge.
Luftbild der Ziegelei von Gerhard Oltmanns in Osterscheps ca. 1962. Noch gut zu erkennen die alten Trockenschuppen und die Tonkuhlen (Foto: Dirk Oltmanns). Die Ziegelei am Lindendamm wird heute von einer Autowerkstatt verwendet.
Wie kam der Lauenburger Ton ins Ammerland?
Niedersachsen wurde zum ersten Mal während der Elster-Eiszeit von einem Eisgletscher überfahren. Der Gletscher schob sich zweimal über das Land und zog sich wieder zurück. Er bewegte sich dabei in nordsüdliche Richtung. Das war vor etwa 500.000 bis 425.000 Jahren. Wie bei einem Eiswürfel, der auf einem dünnen Wasserfilm gleitet, bewegen sich die massiven Gletscher u.a. durch tauendes Schmelzwasser an ihrer Unterseite.
Der Eisgletscher war in Niedersachsen etwa 200-300 Meter hoch, weshalb das Schmelzwasser in seiner Masse mit viel Kraft wirken konnte. Das kolkende3 Schmelzwasser spülte in der Elster-Eiszeit ein paar hundert Meter tiefe Tunnelrinnen aus. Diese Tunnel glichen sehr tiefen Meeren, die Schmelzwasserstauseen genannt werden. Sand und Kies, die aus dem Eisgletscher ausschmelzen, füllen die Tunnel im Laufe der Kaltzeit auf. Der Lauenburger Ton ist eine letzte abschließende Schicht aus Ton, Sand und Kies, die sich am Ende der Elster-Eiszeit über die Tunnel legt. Er hat eine schwarze oder dunkelgraue Farbe und besteht aus Ton, Schluff und Feinsand. Die Rinnen der Elsterzeit sind wichtige Grundwasserträger4.
Rinnen der Elster-Eiszeit und das Ausmaß der Vereisung in Norddeutschland (Quelle: Kristensen et al. 2007/Ehlers 2022)
Lauenburger Ton (qL), warwig geschichtet, verfaltet, über elsterzeitlichen Schmelzwassersanden (qe / S / gf). Sandgrube 2 km WNW Hahn, TK 25 Nr. 2714 Wiefelstede (Foto: K.-D. Meyer 1968/Quelle: Meyer 2017)
Altmoränenlandschaft und Parallelrippen
Am prägendsten für den gesamten Nordwestdeutschen Raum war die Saale-Eiszeit. Sie begann vor rund 330.000 Jahren und endete vor rund 130.000 Jahren. Das Ammerland liegt in einem Raum, in dem sich der Eisgletscher zweimal ausbreitete und zurückzog. Diesen Raum bezeichnet man als Altmoränenlandschaft. Charakteristisch für die Altmoräne sind die lockeren Ablagerungen aus Geschiebelehm und Schmelzwassersanden.
Unter den wirkenden Kräften des Eisgletschers entstand im Ammerland die bekannte Parallelrippenstruktur. Zum Beispiel kann man den Höhenunterschied bei der Hörwanderung in Fikensolt miterleben. Von der Brücke bei der großen Süderbäke zum Schloss Fikensolt blickend, liegt ein Höhenunterschied von bis zu sechs Metern. Die Rippen sind entscheidend für die Hydrologie des Ammerlandes und die spätere Entwicklung der Moore (s. Abb.)4.
Die Geologische Karte 1:25.000 (GK25) zeigt die Parallelrippen und Parallelrinnen (Quelle: LBEG). Die Farben der Sedimente werden in zeitlicher Reihenfolge angegeben: fliederblau = Lauenburger Ton der Elster-Kaltzeit; rotorange = Grundmoräne aus dem Drenthe-Stadium der Saale-Kaltzeit; rosa = Schmelzwasserablagerungen aus dem Drenthe-Stadium der Saale-Kaltzeit; gelb = Flugsand der Weichsel-Kaltzeit; hellgrün = Flussablagerungen der Weichsel-Kaltzeit; karkigrün = Hochmoor aus dem Holozän; helleres karkigrün = Niedermoor aus dem Holozän.
Wie unterscheidet man die Parallelrippen und Parallelrinnen?
Wenn von Rippen und Rinnen die Rede ist, ist damit die Struktur paralleler Streifen gemeint, die auf der Geologischen Karte (GK25) zu erkennen sind. Man kann sich den landschaftlichen Aufbau so vorstellen, dass sich die Rippen und Rinnen wellenartig als Höhen und Tiefen aneinanderreihen. In den tiefgelegenen Rinnen staut sich das Schmelzwasser, was zur Entstehung von den Bachläufen und teilweise von Mooren führte.
Parallelrippen erhöht durch Grundmoräne und Flugsande
Die parallele Struktur des Ammerlandes entstand während der Saale-Eiszeit. Der erste Eisvorstoß dieser Kaltzeit heißt Drenthe-Stadium. Die Eismassen überfuhren und verlagerten dabei die Sedimente, die die Elster-Eiszeit hinterließ. Zudem lagerte der Gletscher neues Material ab, welches wir unter dem Namen Geschiebelehm kennen. Dieses Material hobelte der Gletscher in den Gebirgen Skandinaviens ab oder nahm es im entstehenden Ostseebecken auf. Hauptsächlich wurde der mitgetragene Gesteinsschutt zu kleinen Teilchen gemahlen. In Phasen des Abschmelzens löste sich das Material aus dem Gletscher und bedeckte den Ammerländer Raum, sowie das gesamte Altmoränengebiet. Die Grundmoräne und Schmelzwassersande dieser Periode sind am weitesten verbreitet in ganz Niedersachsen. Die hochgelegenen Rippen des Ammerlandes bestehen hauptsächlich aus dem Schutt, Ton und Kies der Saale-Eiszeit. Teilweise überlagern Flugsande der Weichsel-Eiszeit diese Grundmoräne 5.
Parallelrinnen entstehen aus Schmelzwasserströmen
Die Parallelrippen erheben sich auf bis zu 20 m NN, während die Niederungen der Parallelrinnen zwischen 2 und 10 m NN liegen. Dieser Unterschied entstand zu Zeiten des Abtauens des Drenthe-Eisgletschers. Durch den Zerfall des Eises bildeten sich Schmelzwasserströme, die Entwässerungsrinnen ausgruben. Sie folgen der Bewegungsrichtung des Eisgletschers von Nordost nach Südwest. Diese Rinnen können wir bis heute im Unterschied zwischen den tiefergelegenen Bachniederungen und den höhergelegenen Siedlungen und Eschflächen sehen.
Flugsande und Esch
Die Weichsel-Kaltzeit begann vor 115.000 Jahren und endete vor rund 10.000 v.Chr. In dieser Zeit reichten die Eismassen nicht an Hamburg vorbei. Der Einfluss dieser Eiszeit ist gänzlich anders als in vorherigen Perioden, wo die Eisgletscher die Landschaft gestalteten. Der Wind vor den Eismassen führte die größten Veränderungen herbei.
Während der Eiszeit war es Eiskalt im Ammerland, denn es herrschten abwechselnd u.a. Tundra- und Eiswüstenverhältnisse. Der Unterschied dieser Phasen lag in den durchschnittlichen Temperaturen unter null, die sich über die vielen tausende Jahre abwechselten. Dies nahm Einfluss darauf, wie die großen Flüsse wie Ems und Weser strömen konnten und welchen Einfluss die Winde auf die Landschaft hatten. Es entstanden Wüstenwinde, die feinen Sand aus dem Boden aufwirbelten und wie eine Decke über die Grundmoräne legten. Deshalb erhielten diese Sandschichten den treffenden Namen Flugdecksand 6.
Parallelrippen und -rinnen auf einem Blick – Die Aue bei Querenstede liegt auf 2,7 m NN. Das Gelände steigt bis vor der Baumgruppe im Hintergrund auf 7,2 m NN an.
Was ist eine Geest?
Als Geest werden alle Sandgebiete der Altmoränenlandschaft bezeichnet, die relativ trocken liegen im Vergleich zu den umliegenden feuchten Niederungen 7. Im Ammerland sind das die Parallelrippen, die in der Saale-Eiszeit geformt und in der Weichsel-Eiszeit durch Flugsande bedeckt wurden. In Scheps und Holttange boten die Flugsande z.B. eine trockene, bewohnbare Schneise zwischen dem Fintlandsmoor und dem Vehnemoor.
Wieso entsteht der Esch auf der Geest?
Von den niedriggelegenen Bachläufen des Holozäns steigt das Gelände bis auf die Geestrücken an. Auf den Hochflächen der Rippen lagern die Flugsande der Weichsel-Eiszeit. Auf diesen Flugsanden entstanden die mittelalterlichen Eschfluren. Auf den Flanken der Rippen trifft man auf die Grundmoräne der Saale-Eiszeit. Hier werden die ersten mittelalterlichen Siedlungen errichtet. Die Rinnen bzw. Bachniederungen dienen zum Weiden und Heuen.
Der Esch wurde auf den höchsten Punkten der Parallelrippen angelegt, da dort das Getreide am trockensten wachsen konnte. Die Hofstellen errichtete man auf den Flanken zwischen Esch und Bachniederungen. Die Bachniederungen also die Parallelrinnen fungierten als Weide und Heuland für das Vieh. Hinter dem Lebensraum der mittelalterlichen Bauern erstreckten sich Wald und Moor. Die Wälder dienten als Gemeinschaftsfläche der Bauerngemeinschaft. Das Vieh wurde auf diese Flächen zum Weiden getrieben. Damit entwickelten sich die mittelalterliche Kerne der Ammerländer Siedlungen, auf der vor Hunderttausend Jahren entstandenen Geest.
Erstellt im August 2023
Die Autorin dieses Artikels ist Sophie Lindemann.
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Stark wirbelnd
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Heunisch et al. 2017, 58-62; Pierik, In: Spek, Landschappen van Nederland in prep.; Caspers et al. 1995, 30-32.
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Hydrologie ist die Lehre vom Wasser über, auf und unter der Erdoberfläche und ihren natürlichen Zusammenhängen.
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Heunisch et al. 2017, 62.
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Stouthamer et al. 2015, 206; Pasenau et al. 2002, 33-39.
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